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clarissa ist nur da, weil sie muss. würde sie nicht müssen, weiß sie: wär sie bestimmt nicht da. schon gar nicht nach fünf. eigentlich geht sie ja um fünf. kann sie gehen. nur heute nicht. wieder nicht. wenn sie die überstunden verweigert, weiß sie: geht sie drauf. ist sie weg. kann sie pause machen, laaange zeit. „verflixt“ kann sie das nennen oder „schicksalhaft“. vielleicht „beschissen“ oder „geteiltes leid“ oder „verwirklichung“ oder „unrecht“ oder „ist halt so“. clarissa benennt es selten, sagt es weniger mit worten denn mit handymelodien. die spielt sie mit zwei fingern auf der klaviatur auf dem display. sie ist ziemlich gut darin. sie übt. übung, denkt clarissa, bereichert mich, formt mich, gibt mir form. ich tue es selbst. ich nenne es nicht arbeit an mir, bespreche es nicht: ich spiele es meinem freund vor. er lobt mich, wenn er ausgeruht ist, er hört fast nicht hin, wenn er erledigt ist, wenn er müde ist, erschöpft und hungrig. ich kann ein paprikahuhn kochen, denkt clarissa, das genauso schmeckt wie in dem großen restaurant mit den holzvertäfelten wänden in budapest, in dem wir einmal waren (mit nachspeise!). so ein fest, so ein übermut war das. aber würden wir uns noch einmal verloben, sagt er, würden wir’s ganz anders machen und noch viel kühner! so und so ähnlich macht er späße für mich, krault meinen bauch, streichelt meine füße: denn sie sind meine und ich steh zehn lange stunden drauf jeden tag.