Der irre Aufzug (Minimalhörspiel / Nachrichten aus dem alten Europa)



Du bist traurig. Man sieht es sofort. Du hast dich immer nur versteckt. Und jetzt bist du mal rausgegangen. Und hast das alles nicht mehr ertragen. Aber ich sage dir: du tust zu wenig für dich.
Meine Lebensgeschichte ist so kurz, mir fällt dazu rein gar nichts ein.
Aber erinnere dich doch: du hast doch früher mal gelacht.
NEIN!
Aber du hast geschwiegen. Und in deiner Stille hast du doch immer nachgedacht. Sei doch mal ehrlich, du hast doch mal Gedanken gehabt. Und da waren doch mal Sätze in deinem Gehirn, die’s wert waren.
JA ! - Ich war ein tolles Kind. Ich war immer richtiggehend toll geworden, wenn ich mal was zu lachen gehabt hab, dann bin ich immer durchgedreht. Ich hab mir im Lachen immer vorgestellt: ich würd mich drehen, wie ein irre gewordener Kreisel, wenn ich lache. Dabei bin ich immer nur stehen geblieben. Ich bin nie richtig in Gang gekommen.
Du bist keine Animation.
Ich wollte immer die totale Beschleunigung.
Aber du bist doch keine Animation!
Im Urlaub waren wir immer richtig glücklich gewesen. Und zu Essen gab’s immer Sachen, die’s zuhause nie gegeben hat. Und am Strand waren wir so todmüde dagelegen...
Du gibt’s es zu: auch mal still liegen! Das ist doch keine Auseinandersetzung mit irgendwas mehr, wenn du immer sagst: es muss sich drehen, schnell gehen.
Das ist kein Traum!
Ja, du hast recht.
Das ist doch kein Traum!
Aber ja...
Ich will nicht mehr länger sagen müssen, dass alles, was ich denke, nicht nur kein Traum ist, sondern meine eigene –
Hör auf!
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TEXT: Was sagen wir eigentlich zum Staat? – Was sagen wir eigentlich, weil: alles so repressiv ist, was uns depressiv macht.... Ich will etwas sagen zu: dem Traum von der Produktion. Und am Ende zitiere ich aus einem Buch. Das ist mir zuwenig. Das muss uns doch allen zuwenig sein. Wir müssen uns doch endlich mal entscheiden. Unterhalten müssen wir uns, damit wir eine Entscheidung treffen können. Aber wir wissen nicht genau, welches Programm hier läuft. Die Entscheidung: was wir programmieren wollen, läuft nicht, ...
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liebelei, liebelei, liebelei, leileileilei, 2, 3, liebelei, liebelei, liebelei, leileileilei (gesungen)
Ich möchte mit dir schlafen. Lass uns gemeinsam, lass uns zusammen schlafen.
Ja...
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TEXT: Überall: Sanktionen! Überall: Fronten! Ich hab das so satt. Ich will das alles nicht mehr erleben müssen. Ich will ein eigenes Ereignis, ich will mein privates Glück. Ich bin so zugemauert, ich seh’ gar nicht raus, dabei will ich nur einen persönlichen Kontakt, eine Ansprache. Ich möchte so gerne mit jemandem sprechen!
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MUTTER: Komm her, komm zu mir auf den Schoß!
Ja, ja, ja, du hast recht, ich leg mich jetzt hin, damit ich mich mal so richtig ausschlafen kann.
Ja, leg dich hin, du bist so müde. Weil du immer arbeiten musst, weil du dich immer mit der ganzen Arbeit beschäftigen muss, du darfst doch auch mal ausspannen, das hast du dir doch verdient.
Ja...
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Ja, wo bin ich denn?
Das ist ein Aufzug, mein Sohn. Das ist ein mit Lichtgeschwindigkeit abfahrender Aufzug. Ein Astronautenmodell.
Aber was machen wir hier, Mutter? – ich hab doch nur schlafen wollen. Du hast gesagt: ich soll mich ausschlafen. Und ich: hab das auch gewollt. Und jetzt bin ich hier und weiß nicht warum.
Wir machen Urlaub im Aufzug, mein Sohn. Nur so können wir alles sehen. Wenn wir immer nur am Strand liegen, bekommen wir doch gar nichts mit.

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Mutter, mir ist so übel. Ich glaube: mir ist schlecht. Ich glaube: ich will nicht mit dem Aufzug durch die Geschichte hetzen. Ich will viel lieber auf dem Sofa sitzen und mich in deinen Schoß kuscheln und dort ein bisschen nachdenken: über etwas.
Aber mein Sohn!
Aber Mutter...

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Mutter?
Ja, MEIN SOHN.
Der Aufzug hat gar keine Fenster.
ACH WAS?
Ja, Mutter, schau doch mal!
NEIN. DAS KANN NICHT SEIN.!
Mutter, es ist und bleibt: die Wahrheit.
MAN HAT UNS NUR - ...
Ja, Mutter: du sagst es.
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TEXT: Unsere Situation ist so beklemmend. Wir versuchen immer, jeden Tag, irgendetwas zu formulieren, aber uns fallen immer nur die selben Sätze ein: Warum ist alles so dunkel hier? Warum können wir ohne Personalausweis nicht aus dem Staat raus? Warum machen wir immer wieder dasselbe und was ist dieses Ding, das alles und unser Privatleben immer so politisch macht? Wir wollten auch mal raus aus dem Ganzen, aber wir sind mit unseren ganzen Gen-italien immer noch irgendwo dringehangen. – Das war so traurig. Wir haben dann den allerletzten Coup ..... / "Da ist ein Rauschen in der Leitung". (gesungen)/ ... es war transzendent ... / "... ich kratze in der Leitung: ich bin die neueeeeeeeeeeeeeeee ...... Gestalt" ... (gesungen)