haim 2


haim verwickelt mich in gespräche über steuererklärungen. haim bringt mich, ohne es zu wissen, dazu eine strumpfhose zu tragen und ziersöckchen aus vernünftigem plüsch. 
haim hat seine eigene ungeduld vergessen, für einen kurzen tag lang, so wie man für momente die lebenslange pflicht vergisst, einkaufen zu müssen, nachdem der eine einkauf erledigt ist. 

haim erregt, scheucht auf, macht neu: es ist bestimmt eine verkleidete lust aus jugendjahren, sie hat sich verkappt korrekterweise, man nennt das das ende der adoleszenz. völlig keck holt er sie aus dieser einen, einzigen vergangenheit hervor, lernt sie kennen in 10 mickrigen minuten, und ich tue nichts als mich zu fragen: wie macht er das? wie? und zielt er auf eine gute kritik damit? auf mein großes wohlwollen? nein. er verhilft sich ganz spielerisch zu einem guten ruf, so ganz im allgemeinen. er macht das mit seinem höflichen auftreten, den guten manieren, kleidern, der angelernten lockerheit in der gesprächsführung. alles das ist ja zu verstehen. allerdings gehen haims wirkungen weit darüber hinaus. zum beispiel erzeugt er jetzt, ja ja, flügelschläge. lädt außerdem die kompanions ein zu einem fest, das er plötzlich zu geben beschließt : dann flattern sie alle. miteinander. es gibt ein lautes geräusch. und dann spricht haim wieder; legt dabei stolpersteine aus für sich, torpiert den eigenen auftritt: er steht auf einem bein, er hält ein auge geschlossen, initiiert einen krampf, denkt an scham, denkt an vieles, das ihn beschämt hat, in dingen, beziehungen, situationen. und dennoch, und gerade deshalb vielleicht: spricht haim gelassen. (als ergebnis einer körpertäuschung, einer kopftäuschung auch.) er öffnet seinen hemdkragen. legt einen zweiten, einen nächsten hemdkragen darunter frei. viele, die ihm dabei zusehen, sind augenblicklich sicher, es gebe wenig schöneres (und meinen damit wohl das eindrucksvolle daran). haim legt seine finger auf den orangefarbenen kragen, streicht über die nähte,


was tut er? wie macht er das? wie?,


und ich drücke den knopf, entlasse die videokassette aus dem grauen kästchen, und das geräusch dieser mechanik beruhigt mich. und die kassette schlüpft aus dem recorder. und ich stecke die kassette in die papierhülle, verpacke das band 

(arbeitstitel: longplay)