haim 3


variiere den satz. gib eine auskunft. naja eine wortspende wenigstens. okay. – so stelle ich mir haims anweisungen vor. seine befehle. ich kann mir eine situation vorstellen, in der haim laut wird, anleitet, aufgibt, droht – und auf alle unsympathisch wirkt dabei: außer auf mich.

eine stunde lang lese ich über müdigkeit. ich lese die gar nicht steile these, dass unsere müdigkeit (ja unsere, denn die tiere, sie kennen sie nicht) ein kleiner protest sei, ein widerstand, eine friedensstiftende maßnahme. 
ich will dieses buch als gegenstand schätzen, als etwas, das eckig ist und manchmal gefleckt und diese flecken an ganz besonders passenden stellen zu tragen scheint. das buch über müdigkeit allerdings schert hier aus. das buch über müdigkeit gleitet aus der hand durch die glattheit, die es nach außen bringt, ja vertritt; es geschieht meines wissens ganz einfach und vielleicht ungewollt. ist das so? das buch über müdigkeit hat außerdem die eigenschaft, im regal schneller zu verschwinden als andere. es macht sich klein und verzichtet auf nachbarschaft zu größeren, großen. vielleicht ist diese bescheidenheit mir angenehm. vielleicht könnte ich sie schätzen lernen, und dies übertragen auf menschen gar. naja vielleicht. und sicherlich nicht: auf alles, was haim betrifft.
ich beginne mit meiner imitation, einer gut gemeinten persiflage, ich weiss noch nicht genau, ich beginne zu dozieren. wie haim. er sagt: was zu wissen lohnt. und was nicht. wem wir trauen, welchen sachen. wo wir ein tabu setzen (wie einen grenzstein, einen schranken): die position gemeinsam aushandeln. beschließen zu glauben fast wie an religion. es lustvoll missachten andererseits.   
haim sagt, er könne eine provokation erkennen, wenn er sie sieht, sie hört, wenn sie ihn angeht. er sehe dann, nein, er würde dann sehen auf mich wie auf malerei, die gemalt ist mit aberwitzig breitem pinsel: grobschlächtig. das ein wort, wie es haim ansteht. eigentlich gutschlächtig.

was zu wissen lohnt, und was nicht, verdrehe ich jetzt, spreche ich jetzt, so wie haim spricht normalerweise. dieses wissen, palavere ich, kann am morgen anders aussehen als in der abenddämmerung. kann das sein? und in der nacht erscheint es als dunkler punkt, möglicherweise. oder als rotweinfleck. oder als mysterium. – würde ich, höre ich haim sagen, nur einer einzigen wirkung hinterherjagen, ich würde..., tue ich aber nicht. stattdessen viele wirkungen: will sie gar nicht zählen. diese wirkungen sind ihrer absicht nach wie ein licht mit spektren. und diese kunst macht blickweiten, horizonte, dimensionen. sie macht sie, mit händen. ganz praktisch. sie macht sie morgens. und sie macht sie nachmittags, abends, mittags, nach dem schlaf und vor dem schlaf. sie macht sie, dies steht ausnahmsweise fest, so oft wie möglich. ihre ansprüche will sie dabei so groß, so hoch, so meilenlang und weit ansetzen, dass alles im vergleich zu diesen ansprüchen klein und miserabel und geschrumpft aussieht, so erscheint. im verhältnis zu solcher größe also, höre ich haim sagen, wird alles klein, was nicht orientiert ist an ihr. nicht im verhältnis steht zu ihr. sich nicht in stellung bringt in einem verhältnis dazu.

manchmal, kappe ich diese satzfolge nicht zu unvermittelt, ja manchmal wirkt eine geste stärker als eine kräftige antwort. wie immer aber kann für haim das gegenteil gelten. wenn ich zum beispiel daran denke, wie er aussieht, wenn der sein notebook zuklappt, wenn ich mir vorstelle, wie er seine tasse ein letztes mal auf den tisch fallen lässt, ja runterrattern lässt beinah, und wie all diese bewegungen, gesten eben niemals den abschluss geben, den vorhang. wie haim danach nämlich immer noch weitermacht, weiterredet: als würde die geste noch entlarvt werden müssen als theaterhumbug zum beispiel, als würde damit stets mitgesagt sein müssen: so endet keine szene, weil keine szene überhaupt je endet (aber vor allem nicht so). weil wir immerhin eines wissen: so kleinlich ist unser leben nicht, so verbiedert nicht, so verhärmt nicht, so weich nicht. nicht so leicht.
wie überall zählt auch hier, beim sich-zur-wehr-setzen gegen dürftigkeit, nur: 
erfolg, ein knackiges ende, ein feststellbarer gewinn. daher kommt es, dass haim laut grüßt jetzt, und als hallodri dazukommt zu einem an sich schon großen hallo: es ist ein schattenboxen so schattig dunkel schummrig wie ein spaziergang im wald als suspense: wir berühren ecken und kanten und stämme und wurzeln dabei hauptsächlich: weil wir über sie stolpern -- /  (arbeitstitel: stolpernde gefährten)