mittwoch, 1. april 2020, 7:57


liebe kohorten,

ganze areale meiner kopfhaut schuppen, nässen und trocknen doch zugleich aus wie wüsten – in wilden rhythmen ihre aggregatzustände wechselnd: ich blättere in medizinischen nachschlagewerken der 1970er jahre (vergilbt, abgegriffen, annotiert), um zu verstehen, wer ich bin und möglicherweise sein werde. dass die „krankheit“ einmal von oben, ja vom kopfgehirn ihren ausgang nehmen würde, hielt ich noch bis vor kurzem für unmöglich; immer mehr jedoch scheint sich zu bestätigen, dass mein jahrzehntelanger hang zur selbstertüchtigung qua handstand ein lebensbedrohliches unheil gestiftet haben könnte, das ich jetzt – hier sitzend, schmollend, SCHMÖKERND – ausbaden werde müssen. – aloha blanca, respiratore meum!

ich lege eine grün schimmernde
probe meiner kopfhaut bei.


für welche art überreizung sind wir geschaffen? welchen hirndruck halten wir aus? wie leben wir mit unseren elenden nervenübeln, die uns klein und mickrig machen wie abgefallenes, eingefallenes blattwerk, dessen wir uns am liebsten mithilfe riesengroßer staubsauger entledigen würden (dies aber aus gründen der korrektheit und der falsch verstandenen rücksichtnahme unterlassen)? – ich denke an all die krankheiten, die unsere gegenwart prägen; ich kann keine einzelne, aus diesem siechtum hervorstechende unter ihnen erkennen: keine, die sich rühmen könnte einer ausnahmerolle, dieser jämmerlichen leitmotivschaft, die wir für alles, was uns auf erden an phänomenen begegnet, dumm-zwanghaft anmelden, anwenden: es herrscht diese übersichtlichkeit NICHT! stattdessen gilt: wir leiden an allen enden. wer gegenteiliges behauptet, denkt am schmalen blatt vorbei. hindurch. und haut in ein loch, wo sie/es/er eine trommel vermutet. – alles ist ein abgrund, magnetisiert, elektrifiziert, unter höchstspannung stehend. wer hineinfällt, wird langsam, in zeitlupentempo: knusprig gebraten.

wir essen uns auf.


ich betrachte den dünnen, ja verschwindend unbeachtlichen posteinlauf der letzten tage und erlebe dabei einen eitlen schmerz, den ich mit gelbtönigem, stechend-fiesem hirnschmerz eliminiere. ihr seid nicht die, die mir treu sind. ihr seid die, deren untreue und untugend ich selbst beschworen habe, in bündeln von briefen, ich weiß. glaubt nicht, dass dieser soft-fusselige „widerspruch“ (wunsch nach treue, beständiges feststellen von untreue, wunsch nach untreue!) mich irgend kümmerlich macht, gar grämt: ach es ist doch nur eine vertrocknete luftwurzel, die sich quer in die gedankenwanne legt, wo doch ansonsten ein wasserfall die (hirn)schale erleuchtet, ach es ist doch nur eine mikrominiatur, die einfällt, implodiert dort, wo von sisyphossen aller sorten ein riesenhaftes reich errichtet wird!

nehmt dieses bild als weltbild.


nach der lektüre einiger standardwerke der anatomie skizzierte ich auf meinem bettlaken mit eigenblut die ausformungen der leber in gewissen „stadien“. – seither blicke ich auf das,
was ich dareinst einer des schönen und begehrenswerten überdrüssig gewordenen welt hinterlassen werde:
ein blutbild von eigenhand, eine leberskala, die das äußerste zu zeigen nicht scheut,
und so in ihrer drastik dasjenige gibt,
was zu geben nur euer abgespannter paria in der verfassung ist zu geben:

das äußerste,
die extreme,
weil sie wahr sind und uns die schule des lebens,
ja uns,
die wir keine andere schule haben.

reichhaltig sind auch heute und nichtsdestotrotz
die grüße
eures
bettlers &
fledderers auf allen ebenen,

rikky roy