
"Ich hatte eine unbeschreiblich schöne und elegante Geliebte, sie erinnerte an A., hatte aber etwas von der Dame der großen Gesellschaft, ich war überaus stolz auf sie. Sie sagte mir, ich müsse mir unbedingt eine Schwanz-Wasch-Maschine anschaffen. Auf meinen Einwand, ich badete doch jeden Tag und hielte mich überaus sauber, erwiderte sie, nur jene Maschine garantiere es, dass man an jener Stelle von jedem störenden Geruch frei sei; nur wenn ich mir eine kaufe, werde sie mich stets mit dem Mund lieben.
Ich war nicht sicher, ob sie nicht eine Vertreterin der Firma war, welche die Maschine herstellte. Lachend aufgewacht." (17. Dezember 1967) - (Theodor W. Adorno: Traumprotokolle. Frankfurt/M., 2005. 84f.)
Mythen, Falschgeld, Blüten
I. Gefängnisse
Die größtmögliche Chance auf die gute Geschichte ist uns allen ein Wunder. Wir haben – in den Träumen – eine vernünftige Möglichkeit, uns (ineinander) zu verwandeln. In unsren Träumen, und wir wissen es: arbeiten wir nicht. Zumindest sind wir gemeinhin nicht produktiv. Wir stehlen, lügen, etwas wird von uns verliebt.
/Aber wenn doch?/ ... dann: an großen Chancen. Zum Beispiel am Hochofen, oder auf See. Es ist ein Wahn von der Produktion, eine Arbeitswelt, die sich zum Extremen neigt. Und die unmöglichste Arbeit bekommt den Charme der Kolonie, die wir besetzen (ersetzen), und uns alles einverleiben, wenn nur eine Chance besteht, dass es ein Wunder wird, weil es kurz bleibt, und wirkt.
Das ist der Traum, die Hinterwelt, wenn alles sich noch mal versucht, aber im Geheimen, das Schauspielhaus der unverlebten Wolkenkratzer, Hochöfen, Weltmeere – es ist uns ein Buch, ein Spiel, das wir immerfort lesen, und immerfort sagen: wir haben keine Ahnung, wie das alles aussieht, wir haben keine Ahnung, wie sich das alles auswirkt, aber es ist klar: diese Hinterwelt kommt aus der Vergangenheit, sie muss – und es ist sicher – sie muss sich speisen, aus dem Verdorrten, dem Dreckigen, dem Ausrangierten.
Aber die Träume, wenn sie so wunderbar sind, sind ja nicht verdorrt, sind ja nicht dreckig, sind schon gar nicht ausrangiert, sondern sind ja da, sind ja hochaktuell, sind ja Täter, Schauspielertäter, aber immerhin.
Am Hochofen kniet ein gepanzerter Mann. Er ist das Auslaufmodell eines 20. Jahrhunderts; er weiß, dass er der Menschheit Versuch ist, sich noch mal aufzubäumen, bevor alle Schriften zerstört, alle Häuser abgebrannt, alle Symptome abgeklungen sind. Die Hitze wird von ihm gespürt, obwohl er vollkommen eingeschnürt ist, es sich selbst gemacht hat. Er mumifiziert sich: „als ob ich tot wäre“, sagt er nicht. (Er erfüllt uns auch diesen Traum: dass die Toten es sich endlich selbst machen. Dass sie nicht immer kommen und uns Befehle erteilen. Was wiederum nicht wahr ist: die Toten machen nur eine einzige: Nacherzählung. Die Befehle sind erzählt, sie sind alt und weniger grausam denn je. Weil wir mit den Toten sprechen wollen, merken wir nicht mal, dass die ja gar nicht sprechen, die lesen ja nur vor. / Was befehlen sie? – Sie sagen: ich suche dich jetzt heim. Und wir fühlen ein Gefühl, das wiederum sagt: das wird noch sehr lange dauern, das Ganze. / Wenn du dann begreifst, dass du sündig bist, dann gehen auch wir sterben. – Also die Toten. -). Aber ist er ja nicht tot, der Mann.