Felicitas – Frau unter Einfluss / EINS: Kein leichtes Spiel: „Für meine Eltern bin ich ein globales Phänomen!“ (Carla, Guido, Uwe)



Und sie sagte, sie könne nicht mehr, und schon gar nicht mit dem Kapitalmarkt. / In Quarantäne war unsre Tochter Carla (verheiratet) wegen all dem, was sie früher hätte werden wollen: Politikerin, Musicalstar.

Eine finanzielle Leistung müsse er erbringen, gab er zu Protokoll, und er wisse nicht wie, außerdem sei dieses Geld nur eine „Scheinlösung“ , die doch langfristig nichts bessern werde, im Gegenteil. [Uwe]

Carla, wie ihre Mutter, eine unstete Person, „wie denn auch nicht?“, fragte noch ihr Nachbar, der zu Silvester vorbeikam (nahm ein Schlückchen, zur Güte.) - Im Gegenzug war Guido noch länger geblieben: das UN-Gebäude müsse vom Asbest „befreit“ (!) werden, eine kriegerische Intervention, wenn man so will. Er müsse da die Rechtsfrage klären, die sogenannte. Und Carla war zuhause mit dem Nachbarn ein-gesessen; und inzwischen war auch der begeistert.

In den USA könne man gut leben, könne auch alles auf Karte zahlen. Leichter wird’s nimmermehr, hat Uwe vermutet, er war schon seicht genug geworden, müde und langsam im "Denken", inzwischen; eben auch ein sunshine state, hier. (Da gibt’s kein Morgen.) //
„Pretending to be: a bookshelf“ hieß seine letzte Intervention. (Uwe: „Mache Installation, mache Video - digital, mache alles, was du willst!!“) Mit Würde solle er scheitern, – und hinschmeißen, die Meisterklasse? – Dafür gibt’s kein Pardon. / Die Sache hätte von vorne weg anders laufen müssen, auch waren die Kontakte nie so richtig in Gang gekommen, bei ihm. Obwohl er früher doch blond war, und auch die Gesangslehrerin geradezu auf ihn geflogen war, mit ihren Fünfundvierzig und dem Dekollete; immer eine Kreation am Hals, eine kunstsinnige Existenz. /
Das Video hatte Uwe als Reminiszenz an sein Kindermädchen drehen wollen – pretending to come home / my father’s bookshelf: his warming heart (touching me with Deutsche Klassik) – wollte sie anrufen, sie aufspüren; war inzwischen tot, nicht „am Platz“. Meinetwegen, dachte Uwe, oder: trauriger: ach was mach ich nur... Von der Dame im Hosenanzug (sie sagte: „mache sog. Kulturvermittlung, mache Aufhängung, mache Presse, mache Uwe groß und schön, mache Rohdiamant, mache alles klar“) war seine Biografie durchaus eingefordert worden, weil sie was Authentisches suche, wie sie dreimal wiederholt hat, mit Zeitgenossenschaft: er sei doch eine urbane Lebensform, wie würde die sich artikulieren, state of the art? Uwe war tröge; er käme nächste Woche mit einem Papier rüber. Die Dame hat gestrahlt, noch.

Carla macht noch mal einen Anlauf, sagt: „meine Mutter hat das nicht verdient, die weint, ich spür’ das, die ist todunglücklich. – Ich muss mein Schicksal in die Hand nehmen. Wie ich das mache? – Ich hol ihn ein, was sag ich: runter!“ // Guido war: NY, immer irgendwie. Auch die Sache mit dem Asbest, exzellente Wohnlage und exzellente Hotelanlage, gimme more, gimme Hotellobby Pay-TV, mindestens. New York City. / Carla schmeißt sich in den Flieger, business class. (C. ist ein smartes „+1“, like: „the wife of...“ – „isn’t she?“)

Pretending to be an immigrant in this sunshine state: Uwe hat sich noch mit seiner H&M-Klamotte peinlich berührt gefühlt, als er am Flughaufen durch die Schleuse kam; sein Bild war auf keinem einzigen Index: eine Mischung aus enttäuscht und schuldig – das war der Nachgeschmack (noone’s gonna miss you in Beirut; hey, loverboy, noone’s gonna miss you in Miami Beach – kick ass!)

Meine Mutter, Felicitas, ja, Frankfurt, ja - was? - am Main, ja, Altbau, jaja allein. Ja und? – Carla war aufgewühlt: ihre Mutter solle sich mal aus dem Haus trauen: die wollen ein Interview machen. Felicitas! (in ihrer Jugend eine exotische Frucht – ein voller Strauß, volle Blüte, und: Kasse. Felicitas: irgendwie immer am Mann: am rechten zur rechten Zeit. Vielleicht wollen die meine Seele, hat sie mit achtzehn gedacht, und mit zwanzig: ich bin auf Seite eins; und mit dreißig: ich trag’ die teuerste Echthaarperücke der Stadt!)

Uwe hat sich den Kopf kahlgeschoren: in einer Kammer saß er noch zurückhaltender als sonst. Mir kommen die Tränen, wenn ich in meine Zukunft seh’. Bin ich ein verlassener Mensch? (Aber ich hab’ doch noch in den Neunzigern einen festen Freund gehabt; traurig.) Keine Menschenseele kann mir erzählen, ich sei ein verschwendetes Talent: ich seh’ mich doch im Spiegel; – Und: wir kannten das Risiko doch, (singt:) wir kannten das Risiko doch...


I. Felicitas – Kir Royal mit dem Liftboy: unser aller Tochter Carla, bildhübsch, das Kind.

II. Carla – Henkel trocken mit dem Anzug aus der zweiten Theaterreihe (= Guido – bloß: nur kurz in der Stadt, wegen dem Kongress): eine Liebe unter Einfluss. Guidos Arbeitgeber waren stahlharte Mitmenschen – sind den Verliebten nicht von der Pelle gerückt. „Träume, die bei Nacht entstehen und bei Tag vergehen, sind meistens gar nicht wahr...“ – Carla war am nächsten Morgen erschüttert, über ihre Zügellosigkeit, und geil auf mehr. Guido hatte noch die Telefonkonferenz, aber dann ging’s weiter.


Miami Beach – I reach / what I call: nowhere-land – trough my hand / a bunch of sand, dichtete Uwe, aber mit Herz! Und guckte auf die Uhr und hatte keine Ahnung von der Zeitverschiebung oder seinem Breitengrad: wenn das mal geklappt hätte: Der Dame im Anzug hatte er doch den Entwurf geschickt, die Skizze. Ins Zeug gelegt, klar gemacht:
-Abstract (drei Seiten, 1½ Zeilenabstand),
-zerknülltes Papier (eine Seite, Bleistift, Raumskizze),
-Polaroid (Winterlandschaft einer Kindheit, Deutschland im Winter, dieses Deutschland – ein Wintermärchen, Kittchen – [er dachte immer kitchen im Zeichentrick hieße: Kittchen und verstand nie, warum dann immer das Lied vom Hund kam: ... kam in die Küche und stahl dem...] – Deutschland, goldn’er Käfig, hat mir die Jugend geklaut; und mein Vater, der hatte die Bibliothek, vierzig Quadratmeter!),
-Fotografie seines Kindermädchens,
-Kindersocke,
-Reclam-Heft (Maria Stuart, zerschlissen),
-Mixtape (all the leaves are – all the leaves are brown..., I can’t get no: satisfaction, In the army now, Die Liebe ist ein seltsames Spiel).


[Dear fellow middle class: gimme what I want & satisfy my lonely heart]