Hunger und Liebe erhalten das Getriebe / Losung: totale Inflation der Liebe!


I. Klauen bei Freud

Von nun an war – ganz klar – nur mehr eine Strategie tragbar: raus aus der Studie, raus aus der Klasse, der Planung, der Vorstellung, aus der Erwartung und dem Tanzkurs. – Danielle macht sich noch mal interessant: ich bin wie ich bin! (da hat keiner mehr was sagen wollen; auch klar.) Wenn ich mir nicht ständig meine eigenen Bilanzen VORHALTE, komm’ ich total aus dem Tritt, setzt Danielle hinzu, und hat damit ein für allemal alles klar-gemacht: ganz schön labil, instabil, die Choreographie, von dir (D.); du (D.) hast mir (J.) noch neulich erzählt, deine ganze Wertschöpfung käme aus deinen Schwankungen, deinen Kurskurven, dem ganzen Hin- und Her-Wallen, von deiner Mähne, auch, und von deiner Therapie. Erklär’ dich mal richtig!

„Es ist nicht leicht zu verstehen...“
„Es ist gar nicht so ungefährlich...“

Jenny kommt auch auf ihre Kosten; wollte nämlich schon immer mal jem. leiden sehen, weil das ihren Haushalt, ihr Gefüge, noch retten könnte, wenn allerdings gar nichts passiert, wäre sie durchaus bereit gewesen, alles aufzugeben, aber wenn sich das schon anbietet, hat sie phantasiert, dann nehm’ ich, was ich kriegen kann, kriegen kann! (Jenny: „Meine Beziehung sehnt sich nach einem Sündenbock, nach einer Dritten, die kein gem. Kind ist...“) Danielle kommt an, mit der verzweifelten Miene, und dem Bekenntnis: ihre Schwäche sei eine Reaktion auf die Nullsummen-Ökonomien, auf die verwüsteten Biographien, auf die Schreckensgespenster, die die Bilanzen schreiben, und zwar so: dass am Ende nichts übrig bleibt. Sie sagt: „Ich produziere keinen einzigen Überschuss!“ Und: „Lang mach’ ich das nicht mehr mit...“ Jenny: „Das hätte man mal vor drei Jahren von dir hören sollen, wollen; immerhin: du bist am Ende, und das vergeb’ ich dir – auch.“ Danielle war total: enttäuscht; Sackgasse.

Wenn Jenny sonntags den Abwasch macht, hat sie viel vor: für das Design dieser Lebenswelt/Wohnanlage hat sie immer was übrig; kann für sowas die knappsten Ressourcen mobilisieren, die allerletzte Libido (auch ein AKT!). Dummy (der Wellensittich) kickt den Wassertropf, an dem er hängt, noch mal gegen den Käfig, aber dann war’s aus: weil auch Jenny mit Erziehung befasst ist, weil sie ein Tier kultivieren will, weil sie ein Exempel statuieren will, an sich und ihrer Objektwahl, um endlich raus zu kommen, aus der kleinen Porzellanwelt, aus der Kaffeeklatschfiktion, von der doch keiner mehr glaubt, dass sie eine Alternative sein kann (oder – eine Gegenspielerin; z.B.: Danielle, die schicke Tante, wie sie jahrelang den Dandy gegeben hat; ein Affront, ein Zeichen mit ganz schön dickem Auftrag; Jenny hat die Posen satt und fängt von vorne an: rationalisiert ihre Umgebung runter, auf die minimalsten Parameter, auf die ganz kleinen Ströme: mit ihrem Wellensittich unterhält sie Transfers, die unter jeder [Wahrnehmungs-] Schwelle liegen; sie zeichnet das auch auf: bildet die Kurven kleinlich-genau ab; will es ÜBERTRAGEN.)

Danielle (nicht mehr so schick, mittlerweile; geläutert): „Ich höre dich immer nur sagen, dass ich in der Zündholzschachtel lebe oder so. Da kann ich mir nichts drauf reimen. Klartext muss ich gesprochen kriegen, sonst bin ich so dumpf wie nur: du.“ Jenny war erregt, wegen der AUSEINANDERSETZUNG. Danielle hat doch immer ihr Äußeres am Laufen gehalten, jetzt will sie sich überschreiten, das geht nicht, das ist unanständig, das ist obszön, aber: wenn sie verliert, dann für mich, meine Labsal, meine Lust; und: dann geb’ ich ihr eins drauf, ganz klar, tödlich.
Jenny will: dass D. sich am Boden wälzt. Und bettelt.
Danielle sagt: „Es ist nicht leicht zu verstehen, wie man es möglicht macht, einem Trieb die Befriedigung zu entziehen.“

Jenny: „du hast zu lange zugeseh’n.“ Und: „ich nehm’ dich nicht mehr (für) voll.“ Oder: „du bist eine ästhetische Existenz, also halt’ den Rand!“
Danielle: total verblendet von dem Ärgernis, das sie darstellt: „Was mir deine Solidarität kann, das kann mir deine Fotze, du...“ (Jetzt war endgültig die Luft raus. Danielle nimmt einen Schluck, geht mal hin und her, macht sich klar; locker; und weltmännisch – diplomatisch: „Wo kommen wir hin, wenn ... ?“)

Jenny: ich will die hängen sehn, hängen! (J. erinnert sich: Dummy war für drei Euros über den Ladentisch gewandert, ist also unmöglich ein – ernstzunehmendes! – investment in die eigene Zukunft. Wie kann man das kippen?) Also hängen, also am Boden, also total am Ende, und dann noch mal drüber, mit der Betonwalze (wow!); so stellt sie sich das vor; und denkt an eine unmögliche Lektüre (Heine): „ja, man muss seinen Feinden verzeihen, aber nicht früher, als bis sie gehenkt werden.“ - Tja.


II. Klauen bei Freud, u. anderen

Auf die Frage, wie er sich in (irgendeiner) internationalen Krise verhalten würde, gab er zu Protokoll: "Hunger und Liebe erhalten das GETRIEBE!" (Wenn Danielle da nich’ mal – insgeheim – ganz doll den Kopf geschüttelt hat.) Und weiter: "Leben und Weben..." – da war Danielle schon dazwischengegangen. Zu Recht. Der Märchenonkel war schon wieder im Sinnieren begriffen; weil Danielle immerhin einen WERT in ihn gesetzt hatte. (EINEN ZUVIEL!)

Jenny legt nach: der goldene Käfig ist deine Schönheit, und deine Eleganz. Du bist, wie du willst, was du (auch) weißt: ein Ungeheuer für unser zahmes Auge. Ich will zu dir überlaufen, dir die Pralinen bringen, aber du bist mir: MEIN Dorn im Auge, der Schatten im Quadrat. (Danielle: beeindruckt.)

Jenny: „Es ist gar nicht so ungefährlich; wenn man es nicht ökonomisch kompensiert...“

Vorhang


[Zitate aus Freuds „Unbehangen“, Fischer `07, S. 63 u. 75]