Kimberly. Keine Konkurrenz / Teil eins: „Zu meiner Verteidigung fällt mir schon lange nichts mehr ein!“


Kimberly war total drauf: Nach 29 Tarantino-Filmen hat sie (rein gar) nichts mehr gespürt. Toll sowas, hat sie gedacht, beeindruckend. // Johnny, der Liftboy, guckt ihr noch nach, wie sie aus dem Zimmer kommt (Nr. 407), und hat erst mal keine Worte. (Kimberly: angeschickert, den Rock links hochgeschoben; beides bis zum Anschlag.)

Kimberly macht Ferien. Wegen der Belastung, ja, wegen der Belastung, auch wegen der. Dass sie kein Führungstyp sei, dass man in den sog. Stresssituationen (allen!) sowieso nicht mit ihr rechnen könne, dass sie im Falle des Falles (wahrscheinlich, oder: ganz sicher) nicht den entscheidenden „move“ machen würde, und überhaupt... war sie irgendwie raus.

Mit dem Büro ist das so eine Sache, hat Kimberly vermutet: einerseits bin ich gut aufgehoben, andererseits steh’ ich total neben mir. – Mein Arbeitsverhältnis gibt mir, wenn ich mal ehrlich bin, nur noch Rätsel auf. (Das „Orientierungsgespräch“ mit dem Motivationsmitarbeiter: Kimberly starrt auf die Plakatwand: keine Chance... Mit dem Zeigestab war der Typ aber schon irgendwie eine Autorität; bloß zwischen den Zeilen, da stand rein gar nichts mehr: Augenblick erkennen!, entscheiden!, handeln!, kontaktieren!, es kommunizieren!)
Ich hab mich verschätzt, total verschätzt hab’ ich mich. Für den Beruf hier fehlen mir doch – total – die Qualitäten. Oder: ich bin doch dafür – eigentlich – überhaupt nicht geeignet. (Oder: meine Qualitäten liegen doch woanders, aber: haben tu’ ich sie, ich hab’ sie, irgendwas hab’ ich, irgendwas muss ich ja haben!)

Kimberly nimmt das Taxi in die Innenstadt, und hat noch keine einzige Idee. Ich nehm’ die Eindrücke einfach mit, DIE ATMOSPHÄRE, die kann mir doch niemand mehr nehmen: ich bin hier doch total reingeschneit, in die fremde Stadt, und jetzt hol’ ich mir alles, ich wähl’ einfach nichts aus, keine einzige Entscheidung..., sondern: bin skrupellos, bin gierig, bin: nicht aufzuhalten!

(Die Denkerinnenpose hat Kimberly schon am Flughafen abgelegt, eben genauso wie ihre Flüssigkeiten: alles nicht geeignet, für den Transport, den Transfer, den internationalen, für den Verkehr, Flugverkehr eben. Also mit dem Flakon sind sie heikel wie nur... Sprengstoff, eigentlich; wir nehmen grade noch den Lipgloss, aber den Flakon hier..., also der ist zuviel, der kratzt an unsre urältesten Ängste, der mobilisiert bei uns ganze Parlamente, ganze Behörden; ganze Hormonhaushalte... bringt der drucheinander, bei uns, weil wir immerhin nicht ganz so „gefühllos“ sind, wie unser Portfolio....
Also wir kommen klar, wenn sie uns ERNST nehmen, dann kommen wir klar, aber sonst sind wir aus Stahl, oder Beton, oder sonstwas. Also mit dem Fläschchen hier, mit diesem (eleganten) HugoBoss-Duft kommen Sie hier jedenfalls nicht rein; - und nochmal, aber weniger durch die Blume: Sie verstoßen gerade gegen vier verschiedene Gesetze; capiche? – // Und Kimberly? Die hat sich doch bloß hübsch machen wollen; oder?)

Die Stadt ist ja nur noch beeindruckend, hat Kimberly gedacht. Und das bloß vom Taxi aus! (Ich erwarte keine Komplikationen! So wie ich grade die Effizienz steigere, ... da bin ich doch überhaupt nicht mehr aufzuhalten, klein zu kriegen - was sag ich? - ich bin doch DER SCHOCK für das alles hier, ich bin doch DIE LÖSUNG, ich lieg’ doch oben auf!)

[Ganz fest hat Kimberly sich vorgenommen, ihre Mutter beim nächsten Mal – echt jetzt! – zu fragen, ob sie nicht doch ein schwieriges Kind gewesen sei, ob denn da tatsächlich gar nichts ..., also ob sie denn tatsächlich keinen einzigen Ärger gemacht hätte, oder: eine vernünftige Erinnerung. – Dieses harmonische Verhältnis war ihr nämlich nur noch suspekt geworden. Aber: der Ball läge bei ihr, sagt ihr Freundeskreis. Und: du musst das in die Hand nehmen! – Keine Frage.]

Kimberly nimmt die dunkle Seitenstraße. (Meine Güte..., ich hab' nur noch Spaß! ... Und: Ich seh’ mich im Rückspiegel. Und: Ich seh’ fantastisch aus; .... aber [bisschen traurig]: das weiß doch jeder...)