Wir kultivieren / Die Kinder der Diplomaten / Wir trauern um die Krise



Wir kultivieren

Die hatten den Staubsauger tatsächlich „dirt devil“ genannt – für keinen ein Aufsehen wert. Da war eine große Traurigkeit entstanden, wie auch sie wusste. Immerhin können wir mit einer Garantie rechnen, also wenn wir den Staubsauger sofort ruinieren, bekommen wir anstandslos einen neuen.
Die Stimmung war auch sonst gut:
wir stocken unseren Haushalt peu à peu auf, vervollständigen uns selbst, bald sind wir dort angekommen, wo wir hinwollten, (all die) zwanzig Jahre lang: in dem Bild von uns, das über der Tür hängt, statt der Kuckucksuhr oder dem Gekreuzigten (aber von beiden leiten wir uns doch längst nicht mehr ab, aber beide kommen doch bei uns gar nicht vor, der Kuckuck oder das Christus/Kind... – auf den Freundeskreis hatte das allerdings keine Wirkung, der war fertig, wollte nichts mehr wahr haben, buchstabierte immer dasselbe durch: und spendete traditionell irgendwas, für die Altkleidersammlung.)


Die Kinder der Diplomaten

Ruhig BLUT!, mit meiner Opernkarte bin ich im Fernsehen! Mit hundert Euros sich heranpirschen, an das Sehnsuchtsobjekt: an den tollen Tenor, mit Ost-Biografie, mit Migrationshintergrund – das macht Spaß; aber neben einem immur nur die Alleingelassenen, die Akademiker.
Dem Flair einer Premiere könne er eben nicht widerstehen, hat er ins Mikrofon geplaudert und geschmunzelt und nachher noch schnell ein Brötchen genommen, und einen Mokka (er wolle nichts verpassen, er hätte Adleraugen, er gucke in jedes Dekollete – nein, nur ein Witz...)

Der alte Mann hatte oft taggeträumt, er sei Opern-, Theaterarzt, und einmal, da würde das ganze Statistenpack umfallen, wie tot, und lauthals würde ein Arzt eingefordert, erbeten, erfleht werden. Und auf die Frage, ob den hier jemand Arzt sei, oder auf den hilflosen Fluch, ob hier denn niemand Arzt sei!?, würde er – unbemerkt – sich davonmachen, sich aus der Oper stehlen, auf Zehenspitzen, und zuhause seinen Triumph begehen, mit Zigarette und Cremetörtchen. Mehr könne man nicht wollen.


Wir trauern um die Krise


I. Die vielleicht schönste Sache der Welt

Wir stellen uns die Märkte doch schon seit Jahr und Tag als Kreisläufe vor, mit Blut, (mit) echtem Saft! Dass die Körper gewechselt haben, sollten Sie (eigentlich) wissen, Minister Mister, friendly fire friendly force... Nicht mehr der sog. Staatskörper, kein Uterus, keine Kränkung, die an die Kleinfamilie heranreicht, wenn etwas los (oder faul) ist, im Staate D. ... wie... Deutschland; sondern: die Märkte als große, organische Maschinen, die immer dann monströs werden, wenn irgendwo was leckt, wenn irgendwas Adern lässt... oder trifft, die Hauptschlagader... Der Virus ( - ist nur mikroskopisch (klein), nicht vorstellbar - ), der kann nicht erstickt werden, im Keim, wenn er mal übergegriffen hat, also wenn er Ernst gemacht hat. –
Ging auch schnell.
Weil eben alles auch im Überfluss vorhanden war, eben genau deswegen... Und wir haben noch Witze gemacht,... und: 24 Stunden später sind wir dagelegen: im letzten Hemd, operiert am offenen Herzen. Irgendwie schon erschreckend, hat noch meine Frau gesagt, aber die war tatsächlich: mitten drin; hat sie bloß nicht verstanden, nicht wahr haben wollen, das Ganze...

II. Symbolische Gesetzgebung

Ob es ein gutes Jahr war, für die Hochfinanz?
Nein, wir sind NICHT noch mal davongekommen. Nein, wir haben WEDER Haltung bewahrt, NOCH Ruhe, NOCH Contenance; wir waren voll drauf.
Da half auch keine Presseaussendung mehr.
Die Fehler? – Hat jeder gemacht. Und: Jeder hat jedem alles zugetraut. Daher auch die Unruhe, das (ganz) große Zittern, und die sog. nackten Tatsachen. / Er behauptete tatsächlich, sie seien Untote gewesen, Gespenster, oder: heillos verloren, oder: endlich flügge geworden.

(Die „Krise“ !? – hat doch niemand in den Mund nehmen wollen... war auch verfrüht.)
(Drei Uhr nachts: unsre Vorstellung vom imperialen Leben...)

Im Nachhinein habe er – gefühlte 1000 Mal – in die Kamera gestottert, dass die Krise schon irgendwie die allerschönste Zeit gewesen sei, oder: eine Anspannung, die echt war, oder: in seinem Alter müsse man das Risiko suchen, das käme nicht einfach um die Ecke.