Hannah at the margins (II) / "Hermann, lassen Sie mich die Ausnahme sein!"




New York / ca. 1949


[Keine der handelnden Personen war je frei erfunden. Oder alle.]



Hannah macht Politik. Hermann macht „Poesie“.
Hermann will keine „Poesie“ mehr machen, sondern Politik.
Hannah sagt, Hermann sei ein wahrer Poet.
Hermann sagt, er hasse Poeten.
Hannah denkt: seine Politik, die ist nicht schlecht, aber seine Romane: die sind besser, die liegen oben auf! (später – H. ist inzwischen tot – schreibt sie, er sei ein „Dichter wider Willen“...)

H. & H. treffen sich bei einer gemeinsamen Freundin (H. wird sie später heiraten; ja, Hermann), lernen sich kennen. Hermann macht Avancen (wie immer). Man erzählt sich: er mache das immer. Er habe zwischenzeitlich mal... sieben Liebschaften gleichzeitig gehabt; oder mehr. Und irgendwann verliere er dann immer die Geduld, und mache mit allen Schluss, gleichzeitig. (Man erzählt sich: er brauche auch / oder: vor allem / eine Tippse. – Bei der ganzen Briefschreiberei, bei der ganzen Geschäftskorrespondenz, da käme man ja zu nichts mehr, sagt Hermann; ich bin doch das verkannte U-ni-ver-salgenie! Das haben die Amerikaner bloß noch nicht geschnallt, dass ich das bin, und die andern? – die sowieso nicht...) Wenn der Hermann mit den Frauen immer so liebäugelt, hat das dann vielleicht psychologische Gründe, fragt sich diese antiquierte Salongesellschaft, die doch auch weiß, dass sie antiquiert ist, und kommt schon auf einen grünen Zweig, bloß: den kann man doch nicht laut aussprechen!

Hermann macht sich an Hannah ran. Die denkt: aber, aber, Hermann, mal halblang! – Sagt: „Hermann, lassen Sie mich die Ausnahme sein!“ (darauf Hermann: kurz irritiert, dann geht er zur Ordnung über: Fr. Hannah, reden wir über Menschenrechte!)
Heinrich (H.s Mann; ja, ja, Hannahs Ehe-mann), der ist unbekümmert. Und macht Geschäfte. Denkt: Im Salon haben wir aber sowas von die Oberhand; mit so einer Ehe kannst du eben nur noch gewinnen. Und: Ich bin ein Fall für die Annalen.

Hermann bricht sich später mal ein Bein, u.a., und bleibt ein Jahr weg, weggesperrt, alt & müde & im Bett. (Im Krankenhaus, da können einem schon Gedanken kommen, sag ich dir...) Aber auch egal, ich mach’ die Küsse sowieso auf Papier (wie hat er gesagt? der kranke Superdichter ohne Blut? - Die „geschriebenen Küsse“, die kommen nicht an, die werden auf dem Weg... „ausgetrunken“? Von den Geistern? Den Liebenden? – Ach Hermann, tu nicht so, das hast du doch im Kopf, das Zitat; bist doch der Schöngeist, der von früher. Und wenn du dann stirbst, dann stirbt die ganze Kaste mit, das schwör' ich dir; du bist: eine Institution!).

Hannah: Oh – jetzt hätt' ich Ihnen BEINAHE einen Liebesbrief geschrieben! [H. & H. bleiben ein Leben lang per „Sie“. Warum? – Die haben Angst wie die Kinder, wie die Karnickel, die geben’s bloß nicht zu! – ]
Darauf der Hermann (der Analytiker): AHA – Sie wissen doch, wie das läuft. Das ist wie mit: „denken Sie jetzt BLOSS NICHT an einen Elefanten!“ – Und: Sehen Sie! Jetzt haben Sie schon an mich gedacht! - Und den Liebesbrief, den kann keiner leugnen.
– [Hermann: ich hab’ den Füllfederrüssel: ich spitz’ meine Waffen, rekrutier’ das Personal: mach mich ewig, mach mich international, schreib mich in die Verträge rein, in die UNO, in die Institutionen, die Diskussionen; man muss vorsorgen, das ist ein Menschenrecht!]


Hannah könnt’ die Krise kriegen. Immer soll sie alles aushandeln. Und einmal, da bekommt sie eine – eine einzige – Andeutung nicht mit, fährt mal nicht alle Fühler aus, und schon ist er pampig, der Hermann: aber schon auch ein Sensibelchen, aber schon auch leicht auf die Palme zu bringen, der Hermann. – Das sagt die Hannah dann der Frau, der (mittlerweile) Frau vom Hermann, und darauf hin ist die gar nicht angetan; sie schreibt: Fr. Hannah, keine Ratschläge! Die kann ich nicht gebrauchen, ich leb’ mit dem Tausendsassa schon seit Jahr und Tag, und keine wie Sie kriegt mich klein! [denkt: das mach’ ich schon allein. – ich bin todunglücklich. Der mag mich nicht, und jeder weiß das, jeder! – aber ich lass den nicht von der Leine, der hat mich geheiratet, der wird mich noch kennen lernen!]
Hannah lässt das lieber mal wieder, das mit der Intervention. Denkt: Soll doch machen, was sie will! Ich hab’ andere Kompetenzen, ich muss nicht die „unglückliche Liebe“ von ihm, die muss ich nicht... kippen, kitten, ich bin eine Figur von Welt, oder Weltrang, oder Ruhm, Weltruhm. – (Ach was, denkt sie, da schreib ich dem Martin - wieder, dem von früher, dem, der schon wieder ganz gut aussieht, im Fernsehen.)

NY - Todtnauberg: hallo?
TODT - NY: ja-ja-ja!
NY: .. willst du, ja?
TODT: ja-ja, will ich, ich will!

Hannah an Hermann: kann ich ihm das schicken, das Buch von Ihnen [will sagen: das Buch von Dir]? –

Das macht doch dem Hermann nichts aus, da muss sie doch nicht fragen, ja: da soll sie gar nicht fragen. / Ich schiff mich nämlich ein, ich krall mir den Ruhm: per Eilpost back to Europe. Back to – where I came from? – No, not me, just my ambitions! (ich will nicht zurück, was mach’ ich da? – meine sog. Frau sagt: machen wir, machen wir schön, schön machen wir uns das, in Frankreich, ich sag dir, wenn da die Sonne aufgeht, überm Weinberg, da gibt’s kein Halten mehr! – )
Also schick ihm das, das Buch von mir, den Weltroman, Roman von Welt, ja, schick ihm das, dem Martin, da kann er noch was lernen! [aber sprechen wollen wir nicht, wollen wir nie, über den Martin, das ist unausgemacht ausgemacht, das würd’ nur alles kaputt machen, uns alles kaputt machen; und wir sind doch... so schön, mindestens; so akkurat, im Briefeschreiben.]

Ob sie mich besuchen kommt, im Krankenhaus? (ich lieg da schon ein – gefühltes – halbes Jahr oder... Jahrzehnt; so: bewegungsunfähig, so .. wie soll man sagen? wert-los, ... im-potent?)
Aber ja, sie kommt. Mit dem Heinrich halt, aber kommen tut sie, soviel, soweit und gut.

Ach Hannah und Heinrich, mit Ihnen kann man noch REDEN; wo doch die ganze Geisteslandschaft so kahlgeschoren ist, platt gemacht, Brett vorm Kopf, sagt der Hermann.
Ja, freilich, for sure, wir sind da, und da: sehen Sie, DAS ist unser Ehering (sagt der Heinrich; bloß Hannah, die trägt den schon wieder nicht; aber die Verbindung: die ist doch im Kopf. Und nicht auf dem Wurstfinger. - Ja und.)

Das ist der Killerinstinkt. Oder wie sagt man? Ach ja, Überlebenstrieb. – Nach einem Jahr im Krankenhaus, komm ich raus, aber allemal!, und dann fang ich noch mal an, o-oh!, no no!, no way, ich hab doch gar nicht aufgehört. Ich war doch immer am Werk.


Was haben die gemacht, in Mitteleuropa?
- - Die haben die Werte verlor’n. [sagt Hermann]

Aber welche denn?
- - Ja, alle halt. Zuerst das Geld.

???
- - Ja, zuerst hat eben das Geld seinen Wert verloren. Inflation. Und dann die Köpfe, oder die Hände, ja, zuerst die Hände, weil ... bis rauf in den Kopf ist das mit dem totalen Wert-Verlust ja gar nicht gewandert. Das war fast eine... imaginäre Angelegenheit.

Ach was?
- - Ja, ja.

Ach so.
- - Na eben.


Hannah: ich mag das nicht, wenn der immer seine Politik macht. Ich kann das nicht leiden. Aber mögen tu' ich ihn – und wie, aber bleiben soll er, bei seiner Literatur. (aber das ist ja ein Schimpfwort, wie – auch er – immer sagt: „Literaten“ – Soldaten – Granaten...)

(Hermann: Frauen.. bauen.. darauf, dass man sie unterhält. Ihnen den Unterhalt zahlt. Mit denen nach Frankreich geht, wenn sie das wollen; aber ich will das nicht, und ich mach das auch nicht, mach das nicht mit, geh' auch nicht mit, .. sondern: mach was, schreib was, mach was, mach mich: unverzichtbar – )