Die Versuchung der Anna Emilia



Das Land ist schon irgendwie atmosphärisch, hat Gunnar gedacht. Dabei war die Kaffeefahrt doch todlangweilig, na das musst du ja wohl zugeben!

Anna Emilia: Ich bin nicht wütend, ich bin hier BE-TEI-LIGT!
Gunnar: Wie soll ich sicher sein, dass du mich liebst?
Anna E.: Ich hab das doch in die Baumrinde geritzt. Was willst du denn NOCH?
Gunnar: Och, ich weiß nich... ZUWENDUNG?
Anna E.: Mich hält hier gar nichts mehr, das geb ich dir schriftlich!

Die Vögel zwittschern auch irgendwie so. Da findet doch keine ihre Mitte; schon gar nicht Anna Emilia. Die ist doch jenseits vom Mittelmaß.

Gunnar: Für meine Ansprüche, also... Nee, nochmal: meine Ansprüche sind schon gestiegen, ja, das kann man so sagen. Ich war auch lange weg. Ich mein’, ich war im Ausland. Aber innerlich, innerlich war ich immer da, also bei ihr.
Wie jetzt?
Gunnar: Naja, ich hab’ sie begleitet. Ich war fast schon mehr als körperlich. Und dabei zugleich 20.000 Meilen unter dem Meer. Schon ne spannende Geschichte...
Sicher.
Gunnar: Ja, und dann ist irgendwie die Verbindung gerissen. Ich weiß nich mehr, was das los war. Das war eher kryptisch.
„Kryptisch“ - können Sie das beschreiben?
Gunnar: Tu’ ich doch grade.
Nee, ich mein’: begründen.
Gunnar: Gründe hab ich schon gehabt, bloß: im Nachhinein waren die... im Nachhinein sind die doch immer total ungerechtfertigt.
Ach ja?
Ja ja.

Anna Emilia: Ja, das stimmt schon so : bei der nuit blanche bin ich tatsächlich ganz in Schwarz gekommen, ja. Aber da bild’ ich mir doch nichts drauf ein. Das war ja bloß pubertär. Da hab ich..., genau genommen hab ich ihn damit ja nur auf die Probe stellen wollen, was mir ja auch gelungen ist. – Der hat das total bewundert, das war schon eher... peinlich.
Ja und 1999 hat sich mein Stil geändert, ja klar, ja ja, das stimmt schon, was sie da aus dem Katalog da... zitier’n; das hab ich denen ja gesagt, damals, das haben die ja nur geschrieben, weil ich denen das gesagt hab. Die haben eben nie ERNSTHAFT versucht, den Sachen - meinen! - auch ne Theorie zu geben, das war ja wohl klar. – Dazu warn die auch viel zu blank, die hatten ja gar nichts drauf, die kamen ja direkt von der Uni, die warn total verschreckt. Dafür jung. Ich mein’: bei denen hat man noch irgendwie ehrliche Arbeit leisten können, also: prägen, Prägung! Sowas war mal wichtig, in den Neunzigern. Heute nennen Sie das Konsumverhalten. Früher war das ein Haushalt, libidinös... oder ökonomisch... oder fatalistisch, je nachdem.
Ja, inzwischen mach’ ich die Videos. Glaub aber nich, das ich das noch lange mach’, nee. Da seh’ ich auch keine Möglichkeiten.
Gunnar? – Der war nur so’n Zwischenglied. Aber mit Liebe: so war das früher. Man hat sich auch versucht, gegenseitig... oder aneinander. Viel hat das ja nicht geholfen, das war eher eine Strategie, also eine Strategie für sowas wie ne Zwischenzeit. Wir hatten ja keine großen Ideen, aber das hat uns auch gefallen, klar. Wir warn irgendwie arm, in jeder Hinsicht. Aber total aufgekratzt, gleichzeitig. Man kann das auch nicht so genau... festmachen, an irgendwas.

Gunnar: Das war dann die... beste Beziehung, ja. – Aber schon zweideutig. Vertrackt eben. – Ich kann da doch aus heutiger Sicht..., da kann ich doch heute gar nicht mehr drüber nachdenken, ohne... also ohne die ganze Matrix zu ändern. Da liegt ja auch der Schleier drauf, der Schleier der UNVERNUNFT. Heute kann das eben keiner mehr beurteilen, so richtig.

Anna Emilia hatte noch ne Ausstellung. Dann war sie weg.

Sie sagt: Niemand kann mich kaufen, für sieben Euro.
Oder: Ich bin nicht die Hure von dem da.
Oder: Ich hab in den Neunzigern auch Filme gemacht. Ich hab da immer die Intrigantin gespielt. Blond. – Und: Ich komm da nich mehr hin, ne da komm ich nich mehr hin.

Gunnar hat später ne spitzenklasse Autobiografie geschrieben.
Echt lesenswert, sagt die Presse.
Sag ich auch.
Und du? Du sagst das auch, oder? – Klar sag’ ich das, bloß: ich kann den irgendwie nich leiden, der is' mir zu aufgesetzt.



[„even though i haven’t seen you in years, yours is a funeral I’d fly to from anywhere” - why?]