Kimberly. Keine Konkurrenz (II)


Was bisher geschah:

Kimberly nimmt den Billigflug in die europäische Großstadt. (Sie nennt es Urlaub.)
Ihr Arbeitsverhältnis ist so stabil, dass Kimberly sich Sorgen macht, um ihre Reizschwelle (kommt da noch was? war da je was?): daher die Spontaneität. (Der Flug war total kurzfristig.) In der fremden Stadt ticken die Uhren anders, denkt Kimberly, da stell’ ich auch meine um!
K. erinnert sich an das „Orientierungsgespräch“, neulich: Wenn die Firma den Motivationstrainer engagiert, dann aber garantiert nicht wegen Kimberly. Die ist nämlich gutaussehend, gutgelaunt und eine sichere Bank (das hat der bloß nicht gewusst); und hat keine Konkurrenz, weit und breit... - das war das Problem!?


Vor sechs Monaten:

Die wollen mich doch bloß verunsichern, hat Kimberly in ihr Tagebuch gekritzelt, und nebenbei den Capuccino bestellt. Aber: ich bin doch mondän, ... und nicht nur die Tippse. Ich mache Pressearbeit! – und das heißt ja wohl auch: Koordination; und wie! – Jenny war wieder mal spät dran gewesen, auch egal. Kimberly saß ja da, mit dem Kaffee, und die Laune, die war doch auch besser und besser. – Bloß, als Jenny dann ankam (1h 15 zu spät), da konnte Kimberly auch nichts mehr machen, da war die Luft irgendwie raus.
Jenny hätte eben noch mit dem und dem..., und der hätte was in Aussicht gestellt, und sie hätte doch darauf reagieren müssen, das sei doch DAS MINDESTE; man dürfe doch – hat Jenny nach dem ersten Prosecco ausgerufen – die Zukunft nicht ganz aus den Augen verlieren!
Kimberly ging mit Jennys Karriereleiter seit jeher sowas von gar nicht d’accord. Waren eben auch nie die besten Freundinnen gewesen, die beiden. Jenny zum Beispiel hat sich damals ja nur noch angebiedert, zum Beispiel bei dem Aussteller, also: sie war auf der Messe gewesen, Schuhe, italienisch, Qualität, für die.. von... – also da hat sie sich nur noch angebiedert, und im Nachhinein behauptet: von nichts käme eben nichts. Seither macht sie das Schuh-Ding, fliegt mal hin und her, hat echte „Handschlagqualität“, sagt sie, sagen die Italiener, dass sie hat... Naja.
Kimberly solle sich mal locker machen; und: „was der Blick sagen soll?“ – Jenny macht immer dieselben Ansagen: „Wie siehst du denn aus? Also dein Blick verrät mir, was du willst, und gerade jetzt sagt der: ich will gar nichts, ich bin gar nicht da! Und das kann ja wohl nicht dein Ziel sein, dieser Blick, weil: der sagt ja bloß: ich hab gar kein Ziel, oder: Ziel, was ist das? ‚Ziel’.. ja, schon mal gehört, aber...“ / So war das immer. Jenny hatte sieben Jahre lang mit ihrem Anlageberater zusammengewohnt; da sei sie nicht grade "unbeschadet" rausgegangen, hat sie immer wieder mal erzählt, und hätte sich deswegen aufraffen müssen, hätte sich ein neues Vokabular zulegen müssen, für ihre sog. Selbstbeschreibungen. „Die toughness, die musst du an den Tag legen, und nicht zuhause, im Nähkästchen, nicht zuhause, vorm Spiegel, musst du die ausagieren, sondern draußen, aber à la minute!“
Kimberly ist eisern, die hält zu den Leuten. Auf jeden Fall, wenn ihr die mal einen Gefallen getan haben, dann sowieso. Aber Jenny; von der war, wenn Kimberly sich das mal so überlegt, nichts mehr zu erwarten. Die war total drin. Klar hat die auch Opfer bringen müssen, aber da war sie unbeeindruckt; allein zwar, ohne die Beziehung (den Anlageberater), aber unbeeindruckt; und nicht mehr rauszukriegen...

jetzt:

Kimberly nimmt die schicke Bar, überlegt nur kurz, bestellt was Hartes mit Eis, schlägt die Lider noch mal hoch und die Beine übereinander, die Mähne zurück. Dass immer irgendwas fehle, das kann Kimberly jetzt grade nicht glauben, schließlich gehen hier doch die Lichter an, die Glocken los, und hier fängt das doch erst an, das alles; ich bin doch das Neue, und mein Gesicht; und unverbraucht, ich kann da alle Blicke durchspielen, jede Visage machen, aber jede. (und: ich habe nicht nur dieses eine Talent!)

Clarissa (Kellnerin, 32)

Klar, später würde Kimberly schon tanzen, aber sie wolle sich erst mal umsehen, der Abend sei ja noch jung. -

Johnny (Liftboy)

"Okay" –
Kimberly ist total zufrieden, mit sich.

Clarissa macht die Zigarette aus. Es gibt so vieles, wofür es sich noch zu arbeiten lohnt!



[„und du schläfst mit Männern und du schläfst mit Frauen und du schläfst mit jedem, der mit dir schlafen will“]