HIDDEN TREASURES / Teil I: ›Ich weiß nicht, bin ich involviert?‹




I. Karin und Rolando heiraten / Sunny ist am Leben, ungefragt


Karin gibt der Neuigkeit keine Chance: ich weiß das alles schon! (Und lass mir die Lider straffen, übermorgen!)


Sunny kam als Idee zur Welt: Ihr Nachrichtenwert war allerdings gering. / Immerhin: Die Tante kippte um, im Kreißsaal; konnte die Chemie nicht riechen, oder die Sterilität. Das war groooßes Kino, TECHNICOLOR! [Die Tante verschwand später, als überflüssige Verwandte; trat einer global ziemlich vorbildlich vernetzten Sekte bei; das tat ihr gut.] /


Was aus Sunny nun werden solle, jetzt, wo sie schon mal auf der Welt SEI, ja: am Leben? – Hm, sie sehne sich, meinte die Hebamme, nach hammerharten Werten, UND OB: Sitzt an der Tanke, schnöde, bis Mitternacht: „ich verkauf‘ da Zigaretten und Tampons, echt. Und das nach diesem Studium, diesem.. STUDIUM der… INTERNATIONALEN BEZIEHUNGEN!“ (Sunny selbst hatte – musste sie feststellen, ja vielmehr sich fernsehreif ein-ge-ste-hen – nie eine internationale Beziehung gehabt; bloß eine internationale Geschlechtskrankheit).



Bin ich schön? (Karin lebt in mir [weiter], wenn sie mal nicht [mehr] da ist…/ Ich male sie; muss immer an sie denken; das macht mich unaufmerksam, wenn ich.. wenn ich doch nur.. die Nachrichten gucken will, oder mir die Beine rasieren…) – Ich zwirble mir den Bart. [Rolando]


Sunny gibt die Idee vom Eigenheim auf. Das war gestern. „Heute möchte ich am allerallerliebsten schwanger werden und mir von Fremden, Passanten, Konsumenten, Freunden und Helfern an den Bauch fassen lassen. – ETWAS-DAS-BLEIBT!!“


In der Gegenwart einer Elvis-Imitatorin haben Karin und Rolando sich trauen lassen, und das war kein Witz. – Die STAATEN, das sind die STAATEN, da haben alle denselben Traum! [Wir war‘n in Las VegasVenedigParisBUENOSFUCKINAIRES !!] Elvis jedenfalls stellte sich heraus als: Mann, der die Hüften wiegt, und streng riecht; der Trinkgeld will und an der Flasche hängt: … „I’M ELIVIS AND ALIVE!!! Haarrrrr…“ / Wir - das sind ich und Karin - gehen jetzt lieber, weil: wir haben EHRLICHE ANGST, vor der Institution der Ehe einerseits, vor dir, Elvis, andererseits. (Da war’n die Ringe schon dran.)


Sunny unter Einfluss: „Wir kümmern uns um nichts und bürsten alles klar…!“ / „Ich [= S.] bin unsympathisch und will berühmt werden!“ – Darauf er: Dreh doch nen Film! / Darauf ich: „Na was für nen Film denn?!? Ich kann doch gar nich‘ spielen!“ / Darauf er: Na sicher kannst du spielen! Denk mal an Silvester 2003! / Ich: „Stimmt!“


Ich, Karin, kam mir doof vor, im Smoking. Wieso ich den VERDAMMT NOCH MAL tragen soll? Was ist das hier überhaupt? Ein Benefizball?? EIN BENEFIZBALL!!! (ich will hier BLOSS NICHT auffallen; ich MÖCHTE WAS ESSEN und die Genfer Konvention lesen). – Rolando wirft die Hände in die Luft und ruft: U ARE MY SUNSHINE MY ONLY SUNSHINE! / Karin kann nicht mehr lachen: R. stellte sich heraus als „Fehlgriff“, falscher Fuffziger, als Dummheit, Jugendsünde, üble Laune (der Natur?), als vergeudete Zeit, Liebesmüh und Investition [von vor einer Woche]. ENTPUPPT habe er sich, SCHWÖRT SIE, wie ein sinnloser Wurm, Schmetterling, RAUPE.. whatever: DENN: R. isst kein Fleisch, spielt Golf, hört Reggae, geht laufen, geht trinken, mag schnelle Autos, kann sich aber keins leisten, mag Tilda Swinton, u. Julia Roberts, liest Dostojewski, u. Mankell, die BILD, die taz, die Bibel; hört außerdem Celine Dion, Händel, Dvořák, Prokofjew, Wal- und Delphingesänge, Zwölfton- und kaputte Trommelmusik; macht gerne ausgedehnte Waldspaziergänge, „liebt“ Francis Bacon und die Suprematisten, plant seinen dritten Bungee-Sprung, u. will irgendwann mal nach Tibet, u. nach Kalifornien; schreibt Haikus, liest die Wirtschaftsseiten u. brabbelt irgendwas von Fremdwährungskrediten: WER WAR DIESE PERSON?


(Karin hört seine zierlich-bestimmte, lüsterne Stimme durch die dünne Wand… Sie möchte sich entschuldigen,…sagen: Tut mir leid, ich kann heute nicht kommen, oder nein, mein Fehler: ich… KOMM NIE WIEDER/ )


II. In Rechtsfragen haben wir keine Ahnung, wollen aber gehört werden, KOSTE-ES-WAS-ES-WOLLE, weil wir FEST daran glauben, darauf ein ANRECHT zu BESITZEN


Währenddessen befassten sich die Tiere des Waldes mit gelebter Demokratie: Der Biber hat studiert, sieht gut aus, und – nicht unwichtig – will sich, was sag ich?, UNS emanzipieren. / Die Frage war bloß, wer sonst noch zur Wahl stand: Das Einhorn? Die Füchsin? Der Leopard?

[Im Wald war außerdem die Frage aufgetaucht, wer für die Einzeller übersetzen solle; ODER VIELMEHR: Konnten die sich überhaupt verständlich machen, diese Einzeller, oder waren die taub, dumpf, eigentlich gar nicht hier, sondern träge Materie ohne (gute) Ideen? Und diese angeblichen Übersetzer, waren die bloß Scharlatane, die irgendwas quasselten, was die Einzeller gar nicht sagen wollten, in ihrer (unhörbaren/für keinen tierischen Sinn entschlüsselbaren) Sprache, um sich selbst auf „gewisse Posten“ zu hieven, um quasi im Schatten der Einzeller als eigentliche REGENTEN ZU REGIEREN, um deren sprachlose Ohnmacht bloß für ihre eigenen Zwecke usw. … AUSZUNUTZEN? / Schlimmer Gedanke. / / Selbst die Meinungsforschungsinstitute – und man hatte eine schöne Menge davon installiert, in letzter Zeit – kamen hinsichtlich des ‚Einzeller-Problems‘, wie sie es nannten, zu keinem Schluss: Die Tiere des Waldes waren uneins, 51% glaubten an regierungsfähige Synapsen in den Einzellern, 49% nicht. Das war doch keine politische Mehrheit. Das war doch gar nichts.]

Anfangs war den Tieren des Waldes ihr Sinn fürs Demokratische eine schwere Last gewesen. Eben erst hatten sie unzählige Paläste, Tennisplätze, Whirlpools und Menschenparks dieses infamen, einstigen, terroristischen SCHRECKENS-Regimes abgefackelt, und nun schon mussten sie freie Wahlen inszenieren: Die Masse war angeödet. Man hatte sich Shoppingcenter erwartet, und Nagelstudios, nicht Unmengen an Papierkram und junge ExistentialistInnen, die dauernd für oder gegen irgendwas am Platz der ersten vegetarischen Internationale demonstrierten, und damit obendrein ständig den Verkehr lahmlegten: Wo waren wir hingekommen? WOLLTEN WIR DAS?


Udo, ein Dachs vom alten Schlag, schwatze mal ganz unverblümt ins Mikro des ersten freien Radiosenders, er wolle ja nicht rumjammern, aber er bekomme zu wenige Essensmarken und überlege schon langsam, sich an seinen Hausschaben zu, äh, vergehen. – Es war, man muss es drastisch formulieren, ein Entsetzen, das durch die Menge ging: Manche traten ihr Radio ein, manche warfen es aus ihren Nestern, manche drohten dem Dachs mit übelster Folter, nur um das (von der Ferne) Angedrohte Sekunden später hastig zurückzunehmen: Man wolle sich um keinen Preis in die Nähe dieses Dachses, dieses niedrigen Exemplars, HERAB..., HINAB-, äh, HINUNTERBEGEBEN. Sprich in keinem Falle, also nicht mal missverständlich: SKRUPULOSITÄT andeuten! / – Folter bei den Tieren d. W.? ABGESCHAFFT! Fleisch essen? ABGESCHAFFT! Rundfunkgebühr? ABGESCHAFFT! – Diese Gesellschaft muss sich freie Dachsäußerungen leisten können und LERNEN damit umzugehen, damit UM-ZU-GE-HEN, sagte später eine herrliche Hündin der vertrauensvollen Tageszeitung, und sie hatte damit wohl - mal ehrlich - nicht unrecht.


III. „Definieren Sie mir mal EINVERSTÄNDIS, VERTRAUEN und HINGABE“ / What happens IF?

Rolando saß bezirzt vor der Glotze: Ich möchte einen Staat gründen, eine Währung erfinden, eine Kirche bauen, und eine Autobahn. Von mir geht so viel Schöpfergeist aus, dass ich – nicht länger – an mir halten kann, damit; oder in mir. (R. fährt mit dem Kamm durch den Bart.) / Gibt mir der Bildschirm irgendwas wieder/zurück, was mir immer schon gefehlt hat? Ist der libidinös? Kann der heilen? Hat der INTENTIONEN? / Rolando war vollgesogen: Er kam vorhin aus der Dusche, erschöpft u. durchgevögelt; das war aber echt ziemlich.. äh.. gut, oder? Ich mein', ich will ja nicht angeben, aber.. das war schon.. // Karin kommt gelangweilt um die Ecke. Ob er auch Suppe wolle. Na klar: Alles von dir.


Die Nachrichtendame war, R. sieht das genauso, sehr damenhaft. Sie trug Perlen, eine kleine Krone, ein Krönchen, und einen Damenbart. Der war seit drei Wochen in Mode. Man schloss sich an. / Sie las vom Teleprompter: Wir hier, vom Sender, haben zwei Nanomikrofeuchtbiologen und eine Juristin (spezialisiert auf alt-römisches-alt-griechisches-Vorzeit-Urzeit-Steinzeit-Recht) in das Krisengebiet entsendet. Sie beobachten für uns die Lage. Hallo, Frau Dr. Tieklezian, können Sie mich hören? / Ja, Frau Sonntag, ich kann Sie sehr gut hören. / Also Frau Dr., wie schätzen Sie die Lage ein? Hat sich die Situation beruhigt, und vor allem: Muss man, müssen WIR, noch mit Komplikationen für… für UNS oder vielmehr mit Schäden, mit Ungereimtheiten, mit Rückschlägen, mit EINFLÜSSEN rechnen, mit EINFLÜSSEN? / [Jetzt die Juristin im Singsang-Ton]: Nein, MUSS MAN NICHT. Die demokratische TDW-Partei, zur Zeit noch alleinregierende Mittelinks-Partei, teilt in einer aktuellen Aussendung mit, dass sich die Lage stabilisiert habe, ergo mit keinen weiteren Plünderungen, Brandlegungen oder gar Wutausbrüchen zu rechnen sei. Der Zorn habe sich, wie es heißt, 'verflüchtigt', die Bewohner- und Innen seien SELBSTBEWUSST dazu übergegangen, ihre Vorgärten IN FORM ZU BRINGEN. / Na, das sind doch mal gute Nachrichten, Fr. Dr. T., ich danke für das Gespräch. (Abblende) –


Rolando greift sich an die Brust, kratzt sich ausgiebig, echt doll. - Was für ein Tag.










[Bilder aus: Dorothea Melis (Hg.): SIBYLLE. Modefotografie aus drei Jahrzehnten DDR]