
Sebastian sprach über seine Gelegenheitstexte für den KUNSTKONTEXT praktisch immer so. Seine Freunde wussten das ihrerseits längst handzuhaben und nickten freundlich. Ob er sich denn auch wieder beruhigen werde, fragten die nicht Eingeweihten, und die Eingeweihten beruhigten die Uneingeweihnten: jaja, das werde er schon, er laboriere bloß an diversen MITTELSTANDSKRANKHEITEN, er habe das vor allem bei Gisela Elsner gelesen, dass ihm ab (ca.) 30 der Triebaufschub zum Beispiel Sorgen machen werde, und so sei er, der eingebildete Kranke, nun der Überzeugung, es sei – u.a. – ein unmenschliches Maß an Zivilisationsdruck in dieser Gesellschaft VORHANDEN, was ihm letztlich auferlege, seine Triebe stets bis abends, wie Elsner schrieb, BIS NACH der Arbeit, NACH dem Essen, dem Zähneputzen, BIS NACH dem die-Kinder-zu-Bett-bringen AUFZUSCHIEBEN, was einer Dressur gleichkäme, die uns degradiere, uns letztlich zu verkümmerten, uninspirierten Sexualitäten zwinge, wie Sebastian im Anschluss an Elsner auszuführen pflegte, denn in dieser Hinsicht habe diese ganze Ratgeberliteratur schon recht, bloß sei sie was die ERKLÄRUNG für diese sexuelle Misere anbelange am falschen Dampfer, hingegen in ihrer grundsätzlichen Diagnose oben auf, wonach nämlich das, was früher mal (s. Elsner) monogamer Sex hieß/war, sich als etwas ausnehme, für das wir uns vor den Tieren beispielsweise zu schämen hätten, denn während wir unsere Ideen in praktisch alles SONST einbrächten, in Atomkraft, in Relativitätstheorie, plastische Chirurgie, in kapitalistischen Realismus und eskapistische Lyrik, hätten wir mit diesem ideenlosen Sex – mit der schweigenden Mehrheit, dieser UNBÄNDIGEN Masse an ideenlosem Sex, da war sich Sebastian sicher – hätten wir damit also garantiert und letztgültig unsere eigene Schwundstufe erreicht, unsere Antiquiertheit bewiesen und könnten – da käme uns der Klimawandel, bloß dass der viel zu langsam vor sich gehe, SO UNDRAMATISCH, gerade recht – könnten also unser Verschwinden längst einleiten und den Planeten zurücklassen als von Plastikplanen überzogene Wüste, in der dann alles LEBTE BLOSS NICHT WIR.