mittwoch, 29. april 2020, 17:14


liebe verdämmernde,

es ist weltnacht. ich kann es fühlen.

ich habe aufgehört, meine briefe von hand zu schreiben. ich knie stattdessen vor den schirmen nieder, die unter dem patiententrakt dieser anstalt ihr dasein fristen. ich begebe mich in den keller, in einen brummenden „computerraum“, lasse mich zurückversetzen in eine zeit, in der die geräte noch weggesperrt in kammern vegetierten, in reih und glied aufgestellt – maschinen unter maschinen, maschinen: noch laut und grau und maschinengleich!
nach getaner „arbeit“ lasse ich sie, wie früher, zurück und bin – wie es kaum gelingt und wie es kaum je gelang – wieder bei mir. keiner von ihnen. stattdessen einer von »uns«. – es ist ein schmerz in der schicksalsgegend, der mich erfasst, wenn ich daran denke zu euch zurückzukehren (eine unausdenkbare rückkehr).

(warum ich zuflucht zur tastatur suche? zum heißlaufenden gerät? – nicht, weil mich fröstelt.)

es ist weltnacht. ich opfere den körper.

wie katharina von siena höre ich schrittweise auf zu essen. meine diät wird sanktioniert von allen gesetzen, die ich auslege, die ich wiederhole, umschreibe, auswendiglerne. ich behellige meinen therapiestab damit nicht. ich weiß, man würde mich zurückhalten wollen, im land der hände, der begehrlichkeiten, des tätigen tuns.

ich schwöre der hand ab. es ist dies kein heiliger akt. es ist nur ein vorgang, den niemand sieht, niemand bemerkt, und den ich nur euch zur kenntnis bringe. – ich faste. ich verneine den körper. er wird es mir nachsehen.

als anorektischer kubus (der form des bettes immer ähnlicher werdend), als menschliches überbleibsel, das ich bin, transzendiere ich schon alles, was warm ist, was erhitzt wurde, worin einst energie floss (das gekochte, die „kultur“).

der widerstand, der mich an euch band, verflüchtigt sich. ihr werdet kleiner. –

nein, ihr seid schon klein,

weiß
euer
richie